Das Feuer des Königs

von Johannes Pfendt


Es war einmal ein Mann, der sich auf die lange Reise zu einem alten Freund machte. Sein Weg führte ihn durch einen großen, düsteren Wald. Er war schon sehr lange unterwegs. Ein schwerer Rucksack hing auf seinen Schultern und in seiner Hosentasche bewahrte er einen Brief auf. Das war alles, was er bei sich trug, denn er war in großer Hast aufgebrochen. Bis vor einigen Tagen hatte ihn noch ein Mantel vor der Kälte des Waldes geschützt. Doch eines Nachts war ein Wolfsrudel über ihn hergefallen. Um ihnen zu entkommen, hatte er den Mantel abgeworfen. Nun fror er und des Nachts suchte er in dreckigen Höhlen Unterschlupf. Wenn er das Geheul von Wölfen wahrnahm, rannte er, so schnell er konnte los und versuchte dem undeutlichen Pfad zu folgen. Manchmal kam er vom Weg ab und nur mit Mühe fand er zurück.

Den Brief in seiner Tasche bewahrte er aber wie einen großen Schatz. Wenn es regnete, steckte er ihn unter sein Hemd und lief gebeugt, damit der Regen den Brief nicht durchnässte. Würden ihm Wegelagerer begegnen, gäbe er ihnen eher seine gesamte Kleidung und sich dem Kältetod preis, als ihnen den Brief zu überlassen. Dieses Schreiben war alles für ihn und es gab ihm die Kraft, trotz aller Widerstände, seinem Weg zu folgen. 

Nach einigen Wochen des beschwerlichen Weges tauchte vor dem Reisenden der Widerschein eines Lichtes auf. Der Mann verharrte und starrte durch das dichte Geäst. Er sah ein großes, warmes Feuer. Es beleuchtete die Umgebung, Schatten tanzten umher. Eine große Gestalt saß an der Seite des Feuers, eingemummt in einen dicken Mantel. Neben ihm steckte ein großes Schwert im Boden. Ein Zeichen war in die Erde eingeritzt, dass dem Mann irgendwie bekannt vorkam. Es mochte das Zeichen eines Fürsten dieser Gegend sein ... 

Der Reisende blieb eine Weile stumm und versuchte das Gesicht des Mannes zu erkennen. Doch die Gestalt hatte ihm den Rücken zugekehrt. Eine Weile überlegte er, ob er sich dem Feuer nähern sollte. Doch dann betastete er den Brief in seiner Tasche und schlich leise um das Feuer herum. »Er mag ein Freund sein. Doch das Risiko gehe ich nicht ein. Denn in diesem Wald gibt es viele Feinde.« Dann folgte er frierend weiter seinem Weg, den Brief fest umschlungen. 

Es vergingen einige Tage und seine Nahrungsmittel neigten sich dem Ende zu. Allmählich fragte er sich, ob er nicht doch irgendwo aus Versehen falsch abgebogen war. 

»Müsste ich mein Ziel nicht bald erreichen?«, keuchte er.

Gegen Abend bemerkte er erneut ein Flackern zwischen den Bäumen. Wieder schlich er sich heran und sah ein warmes Feuer und eine große Gestalt. Dasselbe Symbol war vor dem Feuer in den Boden geritzt. Er schüttelte verwirrt den Kopf und fragte sich, ob es sich wirklich um dieselbe Person handelte. Folgte ihm Jemand? Hatte Jemand von seinem Brief erfahren? Die Wärme des Feuers rann ein wenig durch die nassen Blätter vor ihm. Beinahe ergriff sie ihn und nichts wollte er in diesem Moment mehr, als sich an dieses prasselnde Feuer zu setzen und seine Glieder zu wärmen. Doch wieder schlich er sich an dem Feuer vorbei, denn die Gestalt war ihm nicht geheuer. Er aber musste sich auf seinen Weg konzentrieren, musste standhaft bleiben. Und so schleppte er sich weiter. 

Einen Tag später taumelte er kraftlos seinen Pfad entlang, als er plötzlich zwei glühende Augen vor sich erblickte. Eine gewaltige Gestalt löste sich aus der Dunkelheit und ein schreckliches Gebrüll erfüllte den Wald. Es war ein Bär. 

Der Reisende begann zu rennen, taumelte und stolperte den Weg entlang. Er blickte zurück, der Bär war ihm dich auf den Versen. Blätter und Zweige schlugen ihm ins Gesicht und bald rannte er quer durchs Unterholz. Er sah den Pfad nicht mehr. Vor ihm erblickte er eine Felswand, er rannte auf sie zu und zog sich einen Felsvorsprung empor. Als er oben ankam, krachte der Bär gegen den Felsen. Dann brüllte er und versuchte sich an den schmalen Vorsprüngen selbst emporzuziehen. Doch es gelang ihm nicht und so zog er sich zurück. 

Der Reisende aber fand eine Felsspalte und setzte sich hinein. Er war dreckig und durchnässt. Ihn hungerte und auf dem Waldboden wartete eine wilde Bestie auf ihn. 

Da fing er an zu weinen. 

»Wie soll ich mein Ziel erreichen?!«, schluchzte er. »Ich habe keine Kraft mehr.«

Im nächsten Moment wurde er wütend und er rief in die Nacht:

»Du bist schuld, mein Freund. Nur du! Warum bin ich deiner Einladung gefolgt? Vorher war ich allein und geplagt, doch zumindest verhungerte ich nicht. Nun schau mich an. Deiner verwünschten Einladung bin ich gefolgt und nun werde ich den Kältetod sterben oder von wilden Tieren zerfleischt!«

Eine Weile schrie er in die Nacht. Er nahm seinen Brief, der ihm mehr bedeutet hatte, als sein Leben und warf ihn hinaus. Dann weinte er lange Zeit und wartete darauf zu sterben.

»Hätte ich diesen Brief doch nie gelesen ...«

 

Eine paar Wochen zuvor:

 

Der Mann kam gerade von der Arbeit und war auf dem Weg zu seinem Haus. Den ganzen Tag hatte er schwer auf dem Feld seines Fürsten geschuftet. Er arbeitete mehr, als die Meisten. Wenn andere Leute frei hatten und sich auf Festen amüsierten, arbeitete er meist bis spät in die Nacht. Denn in jungen Jahren hatte er einige Übeltaten begangen und der Fürst seines Landes hatte ihm eine hohe Geldstrafe auferlegt. Diese schuftete er mit Müh und Not ab und folgte der Hoffnung, eines Tages von dieser Schuld frei zu sein und ein eigenes Leben zu führen. 

Schon viele Jahre lang arbeitete er schwer. Sein Schuldberg schien jedoch nicht kleiner zu werden. Er verlor die Hoffnung auf Freiheit und versucht sich mit seiner Situation abzufinden.

Als er an diesem Tage in seine Wohnung trat, bemerkte er gleich den weißen Umschlag, der auf seinem Tisch lag. Wer ihn hier abgelegt hatte, wusste er nicht. Er öffnete ihn. Der Absender war ein alter Freund, den er als Kind sehr gemocht, bis eben aber vergessen hatte.  Die Erinnerungen an ihn glichen einem Traum. Er konnte nicht sagen, wie er aussah oder wie alt er war. Ob er Kind oder Erwachsener gewesen war ... Seine Erinnerung galt hauptsächlich einem Gefühl der Geborgenheit und deswegen nannte er diese Person schlichtweg: „Freund“. Der Freund nun war von königlichem Haus. Er aber war das Kind bürgerlicher Eltern. So hatten sich ihre Wege irgendwann getrennt. Nun las er, dass sein Freund Herrscher eines großen Landes war. Ja, er hatte bereits von diesem König gehört. Er galt als überaus mächtig. Man sprach ihm sogar übernatürliche Fähigkeiten zu. Als er nun las, dass dieser König sein alter Freund sein sollte, staunte er nicht schlecht. Schließlich las er:

»Ich möchte dich wiedersehen. Komm in mein Haus. Ich bereite ein Fest und möchte, dass auch du kommst.« 

Der Mann freute sich sehr darüber, denn noch nie hatte er solch eine Einladung erhalten. Doch sogleich wurde er traurig, denn es war ihm unmöglich, dieses Fest zu besuchen. Seine Schulden waren zu hoch. Wenn er auch nur einen Tag nicht damit fortfuhr, seine Schuld abzuarbeiten, würde der Fürst seines Landes ihn gefangen nehmen und wahrscheinlich hinrichten lasen. Er wurde schwer betrübt, denn nun sah er deutlich vor sich, wie sinnlos sein Leben war. Still las er weiter, hielt dann inne und las noch einmal. 

Seine Augen begannen zu leuchten. Dann jubelte er laut, schnappte sich seinen Rucksack und seinen Mantel und stürmte zur Tür hinaus. »Ich komme, mein Freund! Ich komme!«, rief er. Die Nachbarn schüttelten die Köpfe, doch das war ihm egal. Er rannte an ihnen vorbei und hinein in den Wald. Dahinter, so wusste er noch aus seiner Kindheit, wohnte sein Freund. 

Durch seine Gedanken schossen immer wieder die Worte des Briefes. »Komm wirklich! Du sollst nicht behaupten, dass du keine zeit hast. Siehst du, der Fürst deines Landes hat dir eine Geldlast auferlegt. Diese habe ich bereits bezahlt.«

Einen Augenblick lang waren ihm Zweifel gekommen, da er keinen Beweis für die Echtheit des Briefes hatte. Doch im nächsten Moment hatte er sich entschlossen, einfach darauf zu vertrauen und diese Hoffnung in sein Herz aufgenommen. 

 

Nun aber saß der Reisende in der Fesspalte fest und alle Hoffnung war dahin. Dieses Versprechen - wahrscheinlich nur der Streich eines Nachbarjungen - in ihm nicht mehr, als eine Wunschvorstellung. Er schluchzte erbärmlich vor sich hin und wartete im Selbstmitleid darauf, zu sterben. 

Da erblickte er in der Ferne ein rotes Glimmen. Schwach strahlte es durch das Geäst der Bäume hindurch. In diesem Moment legte sich ein unglaubliches Drängen auf sein Herz. Sein Herz begann wieder zu schlagen und er starrte hinab. 

„Meine Einladung!“, rief er. „Ich Idiot. Ich habe sie weggeworfen! Sie ist doch alles, was ich habe!“

Der Bär war nicht mehr zu sehen und zu hören. Er kletterte rasch hinab und suchte in der Dunkelheit nach dem Brief. Hastig wühlte er auf dem schlammigen Boden herum, drängte sich in Dornenbüsche, weil er ihnen das weiße Flackern des Briefes zu sehen meinte. Doch er fand nichts. Die Einladung war verschwunden. Der einzige Schatz, den er besaß, hatte er wie Dreck von sich geworfen.

Er jammerte und sank in den Schlamm: „Ich Elender. Nun bin ich verloren. Ohne diese Einladung wird man mich nicht zu ihm vorlassen. So dreckig und zerschunden wie ich bin, wird man mich wie einen Räuber abweisen. Ich bin nichts wert.“

In diesem Moment hörte der Besiegte ein Knurren hinter sich. Er warf sich herum. Mit gebleckten Zähnen starrte der Bär ihn an, seine Augen glühten vor Hass. Der Mann sprang auf. Im Angesicht dieser schrecklichen Bestie bemerkte er, dass er alles andere, als bereit zum Sterben war. 

Er erinnerte sich an das Feuer in der Ferne. Der Mann dort hatte ein Schwert und könnte ihn vielleicht verteidigen. Doch noch immer wusste er nicht, ob dieser Mann Freund oder Feind war. Also blickte er zum Felsen, der ihn schon einmal vor den Bären gerettet hatte ...

Die Bestie sprang auf ihn zu und der Mann warf sich herum. Er rannte nun auf das rote Licht zu, stolperte durch die Finsternis, den Bären dicht auf den Versen. Er hatte genug davon, sich in Höhlen zu verkriechen. Seine Lunge brannte, sein Herz schlug schmerzend in der Brust. Hinter ihm prallte das Ungetüm gegen Felsen und brachte Bäume zu Fall. Er spürte den Hass der Bestie, der sich aus irgendeinem Grund so heftig gegen ihn richtete. Sie war nun sehr nahe. Er aber war noch ein ganzes Stück von dem Feuer entfernt. Er wusste, er würde es nicht schaffen. 

„Hilfe!“, rief er, doch seiner Kehle entrann nur ein leises Keuchen.

Wütender Atem brandetet gegen seinen Nacken. 

 

Da tauchte ein Licht vor dem Fliehenden auf. Eine große Fackel erglomm in der Dunkelheit und erhellte die Nacht. Sie raste an ihm vorbei und ein lautes Brüllen war zu hören. 

„Sei still!“, rief eine mächtige Stimme. Der Mann kam stolpernd zum Stehen und sah sich verblüfft um. Die Gestalt, die er zuvor am Feuer gesehen hatte, stand zwischen ihm und den Bären. Sie hatte eine Fackel hoch erhoben und zeigte mit dem Schwert auf das wilde Tier. Dieses war zusammen gesunken und schien plötzlich nur noch halb so groß zu sein. Seine einst vor Hass glimmenden Augen waren nun voller Angst. „Zurück in die Dunkelheit mit dir!“, befahl die Gestalt. 

Tatsächlich machte die Bestie winselnd kehrt und verschwand in der Dunkelheit. Dann ging der fremde Mann zu dem verlorenen Reisenden und stütze ihn. 

 

Sie kamen auf eine kleine Lichtung. Ein großes Feuer prasselte in der Mitte und erwärmte die Nacht. Der Gerettete setzte sich ans Feuer und sogleich floh die Kälte von ihm. Er hatte ganz vergessen, wie sich Wärme anfühlte. Wie eine feine Decke legte sie sich um ihn. 

Auch die fremde Gestalt setzte sich. Das Licht des Feuers offenbarte nun endlich ihr Gesicht. Verdutzt starrte der Reisende sie an.

„Du bist es!“, rief er. „Du warst es die ganze Zeit! Aber wie kann das sein.“

Es war sein Freund ... oder, beinahe.

„Oh, nein.“, lachte sein Retter auf. „Ich bin nicht genau der, für den du mich hältst. Wohl aber fließt das Blut meines Vaters in meinen Adern und mein Gesicht gleicht seinem. Ich bin sein Sohn!“

Da staunte der Gerettete nicht schlecht. Im Schein dieses wunderbaren Feuers erkannte er nun endlich wieder das Gesicht seines Freundes. Immer wieder hatte er versucht sich an sein Aussehen zu erinnern, doch es war ihm nie gelungen. Doch nun sah er ihn deutlich vor sich und erinnerte sich an diese liebevollen, ausdrucksstarken Gesichtszüge.

„Was machst du hier auf meinem Weg?“, fragte er Gerettete.

„Ich habe dich gesucht.“, antwortete der Sohn. 

„Warum tust du das?“

Da runzelte der Sohn die Stirn und fragte:

„Weißt du es denn nicht? Hast du die Einladung nicht gelesen?.“

„Oh, doch!“, rief der Mann. „Und sogleich bin ich davon geeilt, um zu deinem Vater zu gehen.“

Da schüttelte der Sohn den Kopf. 

„Du hast sie nicht ganz gelesen.“, sagte er. „Denn wenn, dann hättest du auf mich gewartet. Denn ich war der Bote. Mein Vater hatte mir aufgetragen, dir die Nachricht zu überbringen. Als ich sie dir brachte, warst du nicht zu Hause.“

Der Mann war verblüfft.

»Warum sandte dein Vater nicht einfach einen seiner Diener?«

Der Sohn lächelte.

„Nun, vor einiger Zeit sah ich meinen Vater in seinem Palast auf und ab laufen. Ich fragte nach seiner Unruhe und er erzählte mir von eurer Freundschaft. »Er lebt nun in einem Land, welches in die Hände eines falschen Fürsten gefallen ist. Er hält die Menschen, die in seinem Reich leben, dazu an, schlechte Dinge zu tun. Anschließend klagt er sie an und legt ihnen hohe Geldstrafen auf. Er droht ihnen mit dem Tod und hält sie so als Sklaven. 

Diese Bewohner wissen nicht, dass ihr Reich ein Teil meines Reiches ist und dass dieser falsche Fürst schon lange von mir verstoßen wurde. Mein Heer ist um ein Vielfaches stärker als seines. Ich könnte im Kampf gegen ihn antreten, doch dann würde er die Bewohner seines Landes in den Kriegsdienst gegen mich rufen. Er verbreitet viele Lügen über mich und wahrscheinlich würde ein Bürgerkrieg ausbrechen. Ich will jedoch, dass keiner von ihnen Schaden erleidet. 

Dieser Freund nun lebt in diesem Land. Ich komme nicht zur Ruhe über ihn. Er hat schlimme Dinge in seiner Jugend getan, für die ihn der finstere Herrscher zur lebenslangen Schuld verdammt hat. Doch dies ist mein Reich. Also liegt der Prozess über diese Schuld nicht bei dem Fürsten, sondern bei mir. Der Fürst hat überhaupt kein Recht, ihm eine Strafe aufzuerlegen. Seine Macht besteht einzig aus der Lüge, er sei der wahre Herrscher dieses Landes. Solange die Bewohner glauben, sie wären ihm etwas schuldig, wird er seine Macht behalten. Erkennen die Bewohner jedoch seine Lüge und verstehen, dass ich der wahre Herrscher bin, wird der falsche Fürst seine Macht verlieren.

Ich möchte nun einen Diener schicken, der meinem Freund eine Einladung gibt. Ich will ihn in mein Haus einladen und ihm seine Schuld erlassen. Ich habe kein Interesse an Strafe. Mein einziges Interesse gilt der Umkehr und wenn mein Freund zu mir kommt und die Lüge des Fürsten nicht mehr glaubt, so weiß ich, dass er umkehrt. Was könnte mir ein Mensch schon geben, dass ich nicht schon längst besäße – als nur sein Vertrauen. Ja, ich möchte nichts von meinem Freund, als nur sein Vertrauen. Es soll die Schuld mehr als bezahlen.

Doch fürchte ich, dass mein Freund, wenn er nur einen unbekannten Boten vor der Tür sieht, meiner Einladung nicht folgen wird. Ich selbst aber kann nicht gehen, denn ich muss das Reich verwalten.“

Da überlegte ich eine Weile und sprach:

„Ich bin dein Sohn. Lass mich gehen. Wenn ich vor seine Tür trete und er mir öffnet, wird er dich in mir erkennen und mir glauben. Und wenn ich dort bin, will ich auch den anderen Bewohnern des Reiches eine Einladung überbringen.“

Mein Vater überlegte darüber eine ganze Weile. Dann sagte er mit schmerzerfülltem Blick:

„Ich würde mich freuen, wenn du gehst und meinem Freund diese frohe Botschaft bringst. Nur musst du eines wissen. Ich sandte schon viele meiner Diener in dieses Land, damit sie diese Botschaft verbreiten. Die Schergen des Fürsten töteten viele von ihnen, denn er hasst mich über alles. Er versucht jede Verbreitung der Wahrheit im Keim zu ersticken. Er will nicht, dass auch nur einer frei kommt. Furcht hat ihn ergriffen, denn er weiß, welches Gerichtsurteil ihm blüht, wenn die Bewohner des Landes aufwachen. Denn ihn werde ich strafen und diese Strafe wird absolut sein. Er versucht deshalb, Zeit zu gewinnen und hofft noch immer auf einen Sieg über mich. Er sieht nicht, dass meine Heere ihn seit langer Zeit eingekesselt haben und er nirgendwohin fliehen kann.

 Er hasst mich. Wenn nun seine Schergen dich erkennen, dann werden sie mit dir Schlimmeres tun, als mit meinen Dienern. Ich möchte das nicht. Doch mich verlangt es danach, dass meinem Freund und den anderen Bewohnern des Landes geholfen wird.“

Der Reisende blickte nachdenklich ins Feuer.

„Dann sandte mein Freund seinen einzigen Sohn in diese Gefahr, damit ich die Wahrheit begreife und seine Einladung annehme?“ Er konnte es nicht begreifen. Das seinem Freund so viel daran lag ihm zu helfen, hätte er niemals vermutet. Dann blickte er den Sohn an. „Aber ich habe dich nicht an der Tür gesehen. Dennoch glaubte ich der Einladung und bin ihr gefolgt.“, bemerkte er stolz.

 

„Ja, das ist wirklich erstaunlich.“, antwortete der Mann. „Du hast die Hoffnung ergriffen und bist ihr gefolgt. Doch als du auf dem Weg warst, hast du begonnen, dich selbst von der Wahrheit des Briefes zu überzeugen. Ist es nicht so? Du wolltest ihr glauben, doch je weiter du kamst und je kälter es wurde, desto schwerer wurde es. Mit deiner eigenen Kraft und Anstrengung hast du dich durch den Wald geschlagen, hast versucht, dich an den Weg zu erinnern, der zum Haus meines Vaters führt.“ Der Sohn betrachtete ihn. „Du hast es wirklich erstaunlich weit geschafft, ich bin absolut beeindruckt davon, wie weit des Menschen Willen und die Hoffnung einen bringen kann. Doch du hast viel erduldet, wie ich sehe. Wilde Tiere haben dich gejagt und du musst unglaublich gefroren haben.“ Er lehnte sich zurück und seufzte kurz. „Ich bin dir nachgelaufen und habe auf dem Weg Feuer für dich entfacht, damit du mich siehst. Das Zeichen meines Vaters ritzte ich in den Boden, damit du, wenn du es siehst, in mir keinen Feind, sondern einen Freund siehst. Damit du endlich an Feuer trittst und wir miteinander reden können.“

 

 

„Aber warum das alles?!“, fragte der Gerettete.

Der Sohn verstummte kurz und blickte schließlich den Mann durchdringend an.

„Ich will dich etwas fragen. Glaubst du wirklich, mein Vater lädt dich zu seinem Haus ein, doch der schwere Weg den du bestreiten musst, interessiert ihn nicht? Glaubst du wirklich, dein Freund, der seinen einzigen Sohn zu dir mit dieser frohen Botschaft sendet, würde dich anschließend ohne Hilfe der Gefahr und der Kälte des Waldes aussetzen? Hast denn wirklich vergessen, wie viel ihm an dir liegt? Er hat nie, nicht eine Sekunde im Sinn gehabt, dass du all dies durchleben musstest: All die Kälte, die Einsamkeit, den Hunger, die Angst. Er will dich doch retten, nicht dich zerstören! Oh, warum hast du die Einladung nicht gelesen!“

„Ich habe sie aber gelesen!“, rief der Mann.

„Hol sie heraus und ließ ...“, forderte der Sohn ihn auf.

Da hielt der Mann inne und sah traurig zu Boden.

„Ich habe sie nicht mehr bei mir ...“

„Ohne deine Einladung werden dich die Männer meines Vaters nicht hereinlassen.“, sagte der Sohn.

„Ich bin verloren!“, jammerte der Mann.

Der Sohn seufzte erneut.

„Der Sohn des mächtigen Königs rennt dir seit Wochen hinterher, rettet dich vor dem sicheren Tod und hilft dir ans belebende Feuer. Nun sitzt er neben dir, nur ein Flüstern weit entfernt und du sprichst: „Ich bin verloren!“?“

Da sah der Mann auf und blickte ihn an.

„Kannst du ...“

Doch schon hielt der Sohn ihm einen weißen, nagelneuen Brief hin. Der Mann nahm ihn und fühlte sich seltsam. Seit Wochen hatte er versucht, diese wertvolle Einladung mit Einsatz seines Lebens zu beschützen. Nun lag sie irgendwo im Dreck. In seiner Hand aber hielt er die neue Einladung und es war, als hätte er seinen Brief nie weggeworfen. Tränen traten ihm in die Augen.

„Lies.“, sagte der Sohn.

Der Mann blickte auf den Brief und bemerkte gleich das Symbol auf dem Siegelwachs. Es war das Symbol, dass der Sohn vor dem Feuer in den Boden geritzt hatte. In seiner Hast hatte es der Reisende auf seinem ersten Brief übersehen. Er zog die Einladung heraus und las. 

„Oh, nein.“, hauchte er. Schockiert stellte er fest, dass der Brief tatsächlich mehr beinhaltete, als er gedacht hatte. Am Ende stand dort:

„Mein Bote wird dir ein hilfreiches Geschenk überreichen. Vergewissere dich, dass du es bei dir trägst, wenn du die Reise antrittst.“

Da sprach der Sohn.

„Ich kam zu deinem Haus und fand es leer vor. Also legte ich den Brief auf deinen Tisch. Ich dachte, du würdest ihn gründlich lesen. Denn schließlich ist es der Brief deines alten Freundes. Dann ging ich für einige Stunden weg, denn ich hatte noch eine wichtige Angelegenheit im Reich deines alten Fürsten zu erledigen.

Als ich zu deinem Haus zurückkehrte, fand ich es jedoch wieder leer vor. Der Brief, dein Mantel und deine Tasche waren verschwunden. Ich lief dir also hinterher, denn noch immer trug ich das Geschenk meines Herrn bei mir. Mein Vater aber hatte mir gesagt, dass ich es dir unbedingt überreichen soll. „Auf seiner Reise wird er es brauchen. Ohne dieses Geschenk wird er es sehr schwer haben.“, sagte er. Du nun trugst kein Licht bei dir und so war es schwer, dich im Dickicht zu finden. Ich muss schon sagen, dass es mir manchmal so vorkam, als wolltest du nicht gefunden werden. Also lagerte ich an den wichtigsten Punkten des Weges, an denen du vorbeikommen musstest. Doch, egal wie groß ich meine Feuer auf deinem Weg aufschlug und wie oft ich das Zeichen meines Vaters in die Erde ritzte – du kamst nicht heran. Doch ich kannte die Sehnsucht meines Vaters, die auch in meiner Brust schlägt. Er will, dass auch nicht einer seiner Freunde in diesem Wald verloren geht und so lief ich dir unablässig hinterher und schlug meine Feuer auf – in der Hoffnung, dass du mich endlich erkennen würdest. Das erst eine wilde Bestie dich zu mir treiben würde, ist erstaunlich. Doch nun ist es egal. Wichtig ist, dass du endlich an diesem Feuer sitzt. Doch eines würde mich noch interessieren. Warum hast du nicht auf mich gewartet?“

Der Mann seufzte beschämt. Er erinnerte sich daran, dass er die Worte am Ende des Briefes tatsächlich bereits gelesen, sie jedoch nicht ernst genommen hatte.

„Ich war wohl zu aufgeregt.“, stammelte er. „Ich sagte mir: Warum soll ich warten, wenn ich die Einladung doch schon bei mir trage? Und woher soll ich wissen, ob der Bote zurückkehrt, um mir das Geschenk zu überreichen? Hätte ich gewusst, dass du schon wenig später bei mir auftauchst, hätte ich gewartet. Und hätte ich gewusst, dass du es bist, der am Feuer auf mich wartet, wäre ich zu dir getreten.“

Dann war einen Moment lang still.

„Aber die Lösung war doch die ganze Zeit bei dir.“, sagte der Sohn. „Hättest du auf deinem Weg einmal innegehalten, wäre dir viel erspart geblieben. Doch du hast unaufhörlich deine Reise fortgeführt, weil du es gewohnt warst, mit eigener Kraft deine Ziele zu erreichen. 

Jederzeit aber hättest du auf deinem Weg deinen Brief hervorholen können, um darin zu lesen. Doch, anstatt ihn zu öffnen, hast du ihn wie einen Schatz gehütet. Anstatt die Wahrheit darin zu entdecken, hast du versucht, ihn sauber zu halten. Du sagtest dir: „Wenn schon der Briefumschlag dreckig wird, so will ich doch die Einladung darin sauber halten, indem ich sie bis zum Ende meiner Reise im Umschlag lasse.“ Dafür ist die Einladung aber nicht gedacht. Wie du siehst, habe ich genug davon. Nein, ich sage dir Folgendes: Wenn du zum Haus meines Vaters kommst, wird der Wächter dich hindurchlassen, ob deine Einladung dreckig ist oder nicht. Mein Vater aber wird deine Einladung ansehen und erkennen. Wenn sie sauber ist, so weiß er, dass du sie die ganze Zeit in dem Umschlag gelassen hast. Wenn sie aber dreckig ist, dann geht sein Herz vor Freude über. Denn dann weiß er, dass du in Staub und Nebel, in Regen und Kälte seine frohe Botschaft aus dem Umschlag holtest. Dann weiß er, dass seine Worte dich auf deiner Reise wärmten. 

Diese Einladung ist nicht dafür gedacht, sie dem Wächter zu überreichen. Sie ist geschrieben um dich auf deiner Reise immer wieder an das zu erinnern, was du durch die Worte meines Vaters bist. Du bist frei. Du bist gerettet. Du bist geliebt. Deswegen verschließe diese Einladung nicht, wenn du auf dem Weg bist. Sondern hole sie besonders dann heraus, wenn du im Regen stehst und Feinde dich bedrohen. Sie ist dein persönlicher Zuspruch. Deswegen ist mein Vater voller Dankbarkeit über jede schmutzige Einladung. Denn dann weiß er, dass sein Freund auf der Reise Trost und Kraft fand in seinen Worten.

Du bist schon jetzt gerettet. Nicht erst, wenn du am Ziel ankommst.

Hättest du also den Brief hervorgeholt, hättest du die übersehenen Sätze erneut lesen können. Außerdem hättest du das Zeichen meines Vaters auf dem Brief gesehen.

Anstatt deine Einladung wie einen Schatz zu hüten, hättest du mich erkannt und wärst zu mir ans Feuer getreten. Die Lösung hast du die ganze Zeit bei dir gehabt.“

Einen Moment war es still. Dann stand der Sohn auf und nahm dem Mann seine schwere Tasche ab. Dann half er dem schwachen Wanderer auf die Beine.

„Komm, wir gehen zum Bach. Dort kannst du dich waschen. Dann will ich dir neue Kleider geben.“

 

Als es schließlich getan war, setzten sie sich erneut ans Feuer und aßen gemeinsam. Seine alten Sachen warfen sie ins Feuer.

„In dem Brief steht, dass ich das Geschenk deines Vaters auf meiner Reise bei mir tragen soll. Das es mir helfen wird.“, bemerkte der Reisende schließlich.

Der Sohn nickte.

Der Mann stöhnte.

„Nun, versteh mich nicht falsch. Doch ich bin lange diesen Weg durch den Wald gegangen. Er ist voller Hindernisse und Gefahren. Ständig geschehen Dinge, die man nicht vorhersehen kann. Wölfe verfolgen einen oder der Pfad teilt sich vor einem. Noch dazu die ständige Kälte, die einem bis in die Knochen zieht ...“

„Ja, und?“, fragte der Sohn.

„Nun, ich kann mir schwer vorstellen, dass irgendein kleines Geschenk deines Vaters mir bei meiner Reise helfen würde. Würdest du mich begleiten – nun, die Dinge würden schon anders aussehen. Du bist groß und stark, du bist kampferprobt und kennst den Weg. Du vermagst sogar Bären zu besiegen. Doch ich bin klein und schwach. Ich kann lediglich den Acker pflügen und, wie wir beide wissen, kenne ich den Weg doch nicht so gut, wie ich dachte. Ich glaube nicht, dass ein Geschenk etwas daran ändern würde. In Wahrheit weiß ich nicht, was nach dieser Begegnung geschehen wird. Ich wage es nicht, meine Reise fortzuführen, da ich dort nur Hindernisse und Schmerzen erwarte. In deiner Nähe bin ich mächtig. Doch was bleibt, wenn du gehst? Lass mich mit dir gehen, damit wir gemeinsam den Weg zu deinem Vater finden.“

Der Sohn blickte ihn lange an. Dann lächelte er, stand auf und griff ins Feuer, bis sein Arm vollständig von Flammen umschlungen war.

„Was machst du!“, rief der Mann entsetzt. Der Sohn zog seine Hand wieder heraus und wunderlicher Weise, war sie unversehrt. In seiner Hand hielt er nun eine große Fackel, die hell brannte. Er hielt sie dem Mann hin.

„Nun, vielleicht willst du es damit versuchen.“

Der Mann nahm die Fackel und sogleich fuhr eine eigenartige Wärme durch Arm und Körper. 

Der Sohn aber nahm sein Schwert auf, steckte es ein und ging davon. Sogleich erlosch das Feuer auf der Lichtung. Nur die Fackel in der Hand des Reisenden blieb entfacht.

„Hey!“, rief der Mann und lief dem Sohn hinterher. „Wo gehst du hin? Du hast mich gerettet und nun willst du mich hier einfach stehen lassen?“

Noch einmal drehte sich der Sohn.

„Nun, ich kann ja nicht die ganze Zeit mit dir am Feuer sitzen, oder? Du bist auf dem Weg zu meinem Vater und ich habe noch viele Einladungen zu verteilen.“ Er ergriff ihn bei den Schultern. „Vertraust du deinem Freund, der dir seinen Sohn sandte?“

Der Reisende nickte langsam.

„Dann vertrau seinem Geschenk. Vertrau mir. Halte die Fackel aufrecht vor dir und du wirst dein Ziel erreichen. Solange dieses Feuer bei dir ist, bist du nicht allein. Denn das Feuer ist von meinem Vater und der Vater ist in mir, denn ich bin sein Blut. Es war nie der Wunsch meines Vaters, dass du allein gehen sollst und so ist es auch nicht mein Wunsch. Du verstehst es im Moment noch nicht, aber auf dem Weg wirst du es begreifen. Ich bin das Feuer und das Feuer ist in mir. Wenn ich nun also gehe, lasse ich dich nicht allein zurück. Ich bin bei dir, wenn das Feuer bei dir ist.“

Der Reisende blickte ihn ungläubig an. 

„Es ist nur eine Fackel ...“

Der Sohn lächelte. 

„Geh!“, sagte er liebevoll, aber bestimmend.

Dann wand er sich und verschwand zwischen den Bäumen. Der Mann rannte ihm hinterher. Doch als er in den Wald stürzte, sah er den Sohn nicht mehr. Er war verschwunden.

 

Frustriert blieb der Mann stehen und wusste nicht mehr, was er tun sollte. Er war allein. Misstrauisch betrachtete er das Feuer in seiner Hand. 

Eine Fackel ..., dachte er. Er stöhnte, doch dann ging er voran. Der Sohn hatte unmissverständlich von Vertrauen gesprochen. Also ging er. Es dauerte einen Moment, bis er seinen Weg gefunden hatte. Der Wald an dieser Stelle war sehr dunkel und der Reisende bemerkte, dass die Fackel nun doch recht nützlich war. Denn nun konnte er plötzlich den Weg vor sich sehen. Bald kam er an eine Kreuzung, doch konnte er rasch anhand des Lichts den richtigen Weg erkennen. 

Nachdem er nun eine Weile gelaufen war, bemerkte noch etwas. Ihm war nun nicht mehr kalt. Wenn er die Fackel vor sich hielt, war ihm warm. Kein Vergleich zu der Kälte der letzten Wochen. Es war eine außerordentlich angenehme Wärme. Sie war niemals zu heiß oder zu lau.

Als es nun Nacht wurde, entfachte der Reisende am Wegesrand mithilfe seiner Fackel ein Feuer. Im Dickicht um sich bemerkte er ein Dutzend brennender, wütender Augen und er schrak auf. Die Wölfe hatten ihn erneut aufgespürt. Doch das Rudel, das ihm einst noch seinen Mantel und fast sein Leben gekostet hatte, traute sich nicht an das Feuer heran. Er legte sich schlafen. Die Flammen hielten ihn warm und schützen ihn vor den Angriffen wilder Tiere.

Am nächsten Morgen nahm er seine Fackel wieder auf. Sie war noch immer nicht verzehrt. Sogleich erlosch das Lagerfeuer und der Mann wunderte sich darüber. Es war wirklich ein eigenartiges Feuer.

 

Den ganzen Tag hindurch lief er nun und hielt die Fackel fest vor sich. Er wartete darauf, dass sie das Holz verzehrte. Dann würde er rasch ein Feuer entfachen und eine neue Fackel bilden. Doch seltsamerweise nahm die Fackel nicht ab. 

Während der nächsten Tage änderte sich nichts daran. Im Gegenteil. Ihr Licht wurde immer stärker und die Flamme voller. Je weiter er kam, desto heller wurde das Feuer.

Eines Nachts begann es mächtig zu stürmen und die Schleusen des Himmels brachen auf. Es goss in Strömen. Schnell schnappte sich der Mann die Fackel, um sie irgendwo in Sicherheit zu bringen. Doch das Holz der Fackel war völlig trocken. Nun bemerkte er auch, dass seine Kleider, wenn er in der Nähe des Feuers war, trocken blieben. Am nächsten Morgen nun konnte er der Versuchung nicht widerstehen. Er stellte sich über einen Bach, der durch den heftigen Regen entstanden war, und steckte langsam die Fackel hinein. Er traute seinen Augen nicht. Selbst unter Wasser brannte das Feuer munter weiter. Es gab nichts, was dieses Feuer ersticken konnte. 

 

Noch etwas anderes veränderte sich. Wenn der Mann die Fackel vor sich hielt, dann meinte er oft, eine Stimme zu hören. Er bemerkte nun, dass dieses Licht schon von allem, was er kannte, unterschied. Es verfügte nicht nur über besondere Fähigkeiten. Es war durch und durch ... anders. Die Welt um den Mann herum war eine Sache. Doch dieses Licht war nicht aus dieser bekannten Welt, die er anfassen und einigermaßen sachlich erklären konnte. Es besaß ein Wesen und offenbarte eine Ebene des Lebens, die er nicht beschreiben konnte. Wo er vorher durch das Licht des Tages Bäume und Wege gesehen hatte, erkannte er nun mithilfe der Fackel, Wunder und Wahrheiten. 

Das Feuer lebte. Es war eigentümlich, doch mehr und mehr lernte er, damit umzugehen. Wenn er beispielsweise an eine Kreuzung gelangte und sich seines Weges nicht mehr sicher war, dann bewegten sich die Flammen der Fackel in eine Richtung und er wusste, wohin er zu laufen hatte. Den Weg zu gehen, erforderte oft Vertrauen. Bald aber verstand er, dass sich das Feuer niemals irrte.

Wenn sich wilde Tiere ihm in den Weg stellten, dann spürte er, wie das Feuer der Fackel kraftvoll seine Arme im Kampf bewegte, so dass er die Bestien vertreiben konnte. 

Bald verstand er, dass sein Freund dieses Feuer erschaffen hatte, weil er genau wusste, was Reisende auf dem Weg durch den Wald brauchten. Als er ohne diese Fackel durch den Wald gelaufen war, hatte er auf seine eigene Kraft und Klugheit vertraut. Den Ruhm der Bezwingung des Weges wollte er sich nicht nehmen lassen. Er hatte auf seine eigenen Fähigkeiten vertraut, um die Herausforderungen zu umgehen. Nun aber wurde er von einem unauslöschlichen Feuer angetrieben, dass ihn all seiner eigenen Verdienste beraubte, ihn dafür aber direkt durch die Hindernisse hindurch stürmen ließ. Der Verlust dieser eigenen Verdienste kümmerte ihn jedoch nicht mehr. Denn anscheinend wusste sein Freund sehr viel besser, wie man durch den Wald kam. Im Endeffekt galt war das Ziel der Reise ja noch immer die Gemeinschaft im Haus seines Freundes. Was bliebe denn, wenn er den Ruhm am Bestehen dieser Reise für sich für sich beanspruchen konnte. Was würde ihm davon erhalten bleiben? 

Das Feuer beraubte ihm zwar des Ruhms, schenkte ihm aber die Gemeinschaft mit dem, der den Weg wirklich kennt. Lieber wollte er nun den Ruhm verlieren, als das Potential seines Lebens zu verringern. Denn eine Alternative gab es nicht. Und hatte er nicht schon in dem Moment allen bleibenden Ruhm erhalten, als der König ihn „Freund“ nannte? Mit dem Blick auf Feuer wandelte sich nun alles zum Guten.

Er floh nicht mehr vor den wilden Tieren. Sie flohen nun vor ihm. 

Er versuchte sich nicht mehr mit einem Mantel zu wärmen. Das Feuer wärmte ihn.

Er versuchte nicht mehr, irgendwie den Weg zu finden, sich logische Erklärungen zu erdenken und eine Landkarte in seinem Kopf zu bilden. Das Feuer führte ihn und zeigte ihm den Weg.

Er tappte nun nicht mehr im Dunkeln, mit beiden Händen voraus, um nicht gegen Hindernisse zu stoßen. Nein, nun hielt er mit beiden Händen die Fackel vor sich und die Dunkelheit wich, wo auch immer er war.

 

Bald geschah etwas, womit er nie gerechnet hätte. Mit der Zeit gesellten sich andere Reisende zu ihm. Sie alle waren auf dem Weg durch Wald. Einige hatten dasselbe Ziel wie er, die meisten aber wussten nicht mehr, welchem Ziel sie folgten und hatten sich verlaufen. Doch das grelle und immer heller werdender Licht des Reisenden, zog sie an. Und wenn das geschah, begann der Mann fasziniert zu erzählen. Er erzählte von der Einladung, die er von seinem Freund bekommen hatte und erklärte ihnen die Sache mit dem Feuer. Einige, die ihn hörten, hielten seine Geschichte für Humbug. Sie folgten bald wieder ihren eigenen Pfaden durch den dunklen Wald. Doch viele hörten seine Worte mit Freude und ließen sie in ihr Herz. 

Immer wieder nun, wenn sich Menschen um ihn versammelt hatten, tauchte ein Lagerfeuer vor dem Reisenden auf. Der Sohn saß dort und wartete auf die Gruppe.

„Geht zu diesem Feuer.“, sagte dann der Mann zu seinen Begleitern. „Wagt es, ins Licht zu treten, und ihr werdet eine Einladung und eine Fackel erhalten.“

Viele kamen dem nach. Bald zogen überall helle Fackeln durch den Wald. Die Frohe Botschaft, die Geschichte vom Vater, dem Sohn und dem unauslöschlichen Feuer verbreitete sich über das ganze Reich. Der Wald wurde erfüllt vom Licht tausender brennender Fackeln und die Nacht, die darin vorherrschte, wich mehr und mehr. Immer mehr Bewohner des Reiches hörten von dieser Einladung und begannen dem wahren Herrscher zu vertrauen. Sie wurden dadurch losgelöst, von den Lügen des falschen Fürsten. Seine Macht bröckelte unaufhörlich. Er tobte und wütete. Doch es half nichts. Denn sobald ein Mensch solch eine Fackel ergriffen hatte, konnte sich der Fürst ihnen nicht mehr nähern. Das Licht blendete ihn und seine Angriffe gingen ins Leere.

 

 

 

Einige Zeit, nachdem der Reisende bei seinem Freund angekommen war, machte sich der Sohn mit dem Heer des Königs auf und drang in das Reich des falschen Fürsten ein. Mittlerweile hatte dieser die Kontrolle über die Bewohner verloren. Mit dem unauslöschlichen Feuer brannte der Sohn den Festungen des Fürsten nieder. Er wurde gerichtet, so dass er niemals wieder seine Lügen verbreiten und sein Reich errichten konnte.

 

Der Reisende aber sprach glücklich:

"Nun bin ich endlich zu Hause angekommen."




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